Gläserne Gesetze

Welchen Einfluss haben Lobbyisten auf unsere Gesetze?

Lobbyverbände reichen Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen bei Ministerien ein. Unsere Kampagne „Gläserne Gesetze“ zusammen mit abgeordnetenwatch.de hat erreicht, dass diese Stellungnahmen nun dauerhaft von der Bundesregierung veröffentlicht werden. Dies ist ein Teil der zivilgesellschaftlichen Forderung nach einem „legislativen Fußabdruck“.

Der Ablauf der Kampagne:

Fortschritt beim „legislativen Fußabdruck“

Die Kampagne „Gläserne Gesetze“ zeigt, dass das Informationsfreiheitsgesetz ein starkes Werkzeug der Zivilgesellschaft ist. Ziel von FragDenStaat.de ist es nicht, möglichst viele IFG-Anträge zu stellen, sondern Transparenz in wichtigen Bereichen unserer Demokratie herzustellen und dauerhaft zu sichern. Im Gesetzgebungsverfahren ist mit der Kampagne „Gläserne Gesetze“ ein weiterer großer Schritt für mehr Transparenz getan.

Um welche Dokumente geht es?

Der Referenten­entwurf

Dieser ist die allererste schriftliche Fassung eines Gesetzentwurfes und wird von einem Beamten im Ministerium zu Papier gebracht. Sie ist in der Regel nicht öffentlich, kann aber von allen angefragt werden.

Die Stellung­nahmen von Interessen­vertretern

Der Referentenentwurf wird vom Ministerium u.a. an Unternehmen, Verbände und Organisationen mit der Bitte um Stellungnahme geschickt. Die Dokumente waren in der Regel nicht öffentlich.

Der Regierungs­entwurf

Die Argumente der Lobby-Verbände werden ggfs. in den Regierungsentwurf eingearbeitet. Dieser wird schließlich vom Bundeskabinett beschlossen, geht anschließend in den Bundestag und wird veröffentlicht.

Der beschlossene Gesetzes­text

Nach Beratungen im Bundestag, in dem weitere Änderungen am Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgenommen werden können, steht nach der Schlussabstimmung der beschlossene Gesetzestext.

Fragen und Antworten zum Start der Kampagne (2017)

Mit wenigen Klicks können alle Menschen auf diesen Seiten eine Lobbyisten-Stellungnahme und dazugehörige Referentenentwürfe bei einem Ministerium anfordern. Dies geschieht auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG), das allen ermöglicht, amtliche Dokumente von Behörden zu erhalten.

Die Bundesministerien schreiben bei den allermeisten Gesetzesvorhaben gleich eine Vielzahl Interessenvertreter an, um ihnen in einem sehr frühen Stadium der Gesetzgebung die Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme zu geben. Seit der Bundestagswahl 2013 wurden Unternehmen, Verbände und Organisationen insgesamt mehr als 20.000 Mal kontaktiert, wobei nicht alle von ihnen eine Stellungnahme an das Ministerium zurück geschickt haben.

Nein. Zwar können Behörden grundsätzlich Gebühren für Auskünfte verlangen. Die Anfragen nach Stellungnahmen und Referentenentwürfen sind aber so kleinteilig, dass jeweils keine Gebühren angemessen wären.

In einer monatelangen Vorrecherche haben abgeordnetenwatch.de und FragDenStaat.de für 643 Gesetzentwürfe aus dieser Legislaturperiode die Namen von Verbänden, Unternehmen und Organisationen zusammengetragen, die von den Ministerien um schriftliche Bewertung eines Gesetzesvorhabens gebeten wurden. Dies geschah in den allermeisten Fällen über Anträge nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) und über Presseanfragen bei den Ministerien sowie dem Bundeskanzleramt. In einigen (wenigen) Fällen waren die Informationen auch auf den Internetseiten der Ministerien verfügbar. Mitunter haben Lobbyisten auch von sich aus ihre Stellungnahme auf der eigenen Webseite veröffentlicht.

Diese Aktion ist ein erster wichtiger Schritt, um die Einflussnahme von Interessenvertreter auf die Gesetzgebung transparenter zu machen. Doch er zeigt nur einen kleinen Ausschnitt, der noch dazu auf einen Zeitraum (die 18. Legislaturperiode) begrenzt ist. Deswegen muss dreierlei geschehen:

  1. Alle Ministerien auf Bundes- und Landesebene müssen die wichtigsten Dokumente zu einem Gesetz von sich aus öffentlich machen, wozu insbesondere Referentenentwürfe und Stellungnahmen von Verbänden gehören. Das Bundesjustizministerium ist eines der wenigen Ressorts, die dies seit einem Jahr tun.
  2. Sehr viel wichtiger noch ist die Einführung eines verbindlichen Lobbyregisters, in dem Lobbyisten u.a. ihre Kontakte zu Beamten und Politikern öffentlich machen müssen.
  3. Außerdem muss endlich bei jedem Gesetz für die Öffentlichkeit sichtbar werden, wer an dem Entwurf beteiligt war (der sog. “legislative Fußabdruck”).

abgeordnetenwatch.de hat vor einiger Zeit einen Gesetzentwurf für ein weitreichendes Lobbyregistervorgelegt. Im Deutschen Bundestag gibt es für ein verbindliches Transparenzregister zwar eine politische Mehrheit aus SPD, Grünen und Linken. Doch wegen der Ablehnung von CDU und CSU wurde es bislang nicht beschlossen.

2016 haben abgeordnetenwatch.de und FragDenStaat.de mit einer ähnlichen Aktion die Veröffentlichung tausender Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages bewirkt. Über das Portal FragDenBundestag.de forderten Bürgerinnen und Bürger damals mehr als 2.000 Gutachten per Informationsfreiheitsgesetz beim Bundestag an. Als Reaktion darauf begann die Bundestagsverwaltung, alle Ausarbeitungen von sich aus ins Internet zu stellen.


Situation der Stellungnahmen in Ministerien zum Start der Kampagne (2017)

Ministerium Veröffentlicht selbst Anzahl Stellungnahmen Häufigste Stellungnahmen von
Auswärtiges Amt nein 9 9 Verbände mit 1 Stellungnahme(n)
Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien nein 76 2 Verbände mit 2 Stellungnahme(n)
Bundesministerium der Finanzen nein 2062 Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung mit 26 Stellungnahmen
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ja, seit 2016 4147 Deutscher Anwaltverein e. V. (DAV) mit 51 Stellungnahmen
Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat nein 1724 Verbände mit Stellungnahme(n)
Bundesministerium für Arbeit und Soziales nein 363 Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände mit 11 Stellungnahmen
Bundesministerium für Bildung und Forschung nein 16 16 Verbände mit 1 Stellungnahme(n)
Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft nein 589 Deutscher Bauernverband e. V. (DBV) mit 13 Stellungnahmen
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend nein 280 Deutscher Städtetag mit 4 Stellungnahmen
Bundesministerium für Gesundheit nein 1096 GKV-Spitzenverband mit 10 Stellungnahmen
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit nein 3111 Verbände mit Stellungnahme(n)
Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur nein 2078 2 Verbände mit 13 Stellungnahme(n)
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie teilweise 1686 2 Verbände mit 13 Stellungnahme(n)